Heute vor 93 Jahren veröffentlichte die deutsche Wochenzeitschrift Die Weltbühne, die als Sprachrohr der radikaldemokratischen Linken galt, den Artikel Windiges aus der deutschen Luftfahrt. Der darauffolgende Prozess war eines der spektakulärsten Strafverfahren gegen kritischen Journalismus in der Weimarer Republik.
Der Artikel beschäftigte sich mit der sogenannten schwarzen Reichswehr und besonders dem Aufbau einer geheimen Luftwaffe. Der Versailler Vertrag verbot Deutschland nach dem Ende des ersten Weltkrieges eine starke Aufrüstung, das Heer musste auf maximal 100.000 Mann beschränkt sein. Die Bildung einer Luftwaffe war explizit untersagt. Dennoch versuchten Reichsregierung und Reichswehr systematisch, die Bestimmungen des Vertrages zu umgehen und unterstützten den Aufbau paramilitärischer Verbände und legten illegale Waffenlager an. Der Journalist und Flugzeugkonstrukteur Walter Kreiser, der großen Einblick in die Geschehnisse der Luftfahrtindustrie hatte, legte in besagtem Artikel die Verbindungen der Reichswehr mit eben jener Industrie dar. Aus diesen Ausführungen ging hervor, dass die Reichswehr offensichtlich unter Umgehung des Versailler Vertrages den heimlichen Aufbau einer Luftwaffe betrieb.
Der Artikel blieb nicht ohne Wirkung, unmittelbar nach Erscheinen begannen Ermittlungen gegen Autor Kreiser und Herausgeber der Weltbühne Carl von Ossietzky. Die Wohnungen der beiden wurden durchsucht und Ossietzky befragt. Es kam jedoch nicht direkt zur Anklage, da die Reichsregierung durch den Artikel in einem Dilemma steckte. Würden sie den Artikel dementieren oder ignorieren, riskierten sie weitere Veröffentlichungen. Doch ein harter Prozess gegen die Journalisten wäre einem Eingeständnis gleichgekommen. Nach über 2 Jahren entschied man sich doch für eine Anklage und bezichtigte Kreiser und Ossietzky des Landesverrats. Aufseiten der Staatsanwaltschaft und des Reichsgericht waren bekannte Juristen beteiligt. Staatsanwaltschaft Paul Jorns war bereits an den Mordermittlungen in den Fällen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg beteiligt und hatte dort Spuren verwischt. Sämtliche 19 Zeugen sowie der zentrale Beweisantrag der Verteidigung wurden abgelehnt, diese hätten Beweisen sollen, dass die im Artikel beschriebenen Geschehnisse dem Ausland bereits bekannt waren und daher kein Landesverrat vorliege.
Das Urteil wurde am 23. November 1931 verkündet und lautete auf 18 Monate Gefängnisstrafe. In der Begründung führt das Gericht an, dass der Staatsbürger seinem Land die Treue zu halten habe und nicht eigenmächtig die Verletzung internationaler Verträge anprangern dürfe. Den erforderten Vorsatz begründete das Gericht damit, dass die Angeklagten Pazifisten gewesen seien, woraus sich schließen ließe, dass sie antimilitaristisch hätten wirken wollen. Der Weltbühne-Prozess ist einer von vielen Fällen dieser Zeit, die so oder so ähnlich abliefen. Die politische Justiz in der Weimarer Republik argumentierte oft mit den „patriotischen Pflichten“ deutscher Staatsbürger und bekämpfte so regierungskritischen, pazifistischen Journalismus. Von 1924 bis 1927 wurden über 1000 Menschen wegen Landesverrats oder Beleidigung der Reichswehr verurteilt. Das Urteil schlug national und international große Wellen.
Der Versuch, den Prozess in den 1990er Jahren erneut aufzunehmen, scheiterte.
Aachen den 12.3.2022 (fg)